Mein Krempel, die Räumwut und ich

Heldenreise

Eigentlich hatte ich mir überlegt, diesen Beitrag in der Test Area zu veröffentlichen, aber irgendwie – obwohl es mittlerweile Spaß macht – würde ich Ausmisten nicht als Hobby sehen. Es war ein notwendiges Übel, zu dem ich mich mehr als nur einmal durchringen musste, weil ich einfach kein Land sah. Und mittlerweile denke ich, dass dieser Beitrag einfach besser zur Heldenreise passt, denn ich habe unglaublich viel über mich selbst gelernt.

Bin ich ein Messi?

Zwischendrin hatte ich allerdings oft den Gedanken, dass ich ein Messi sein muss. Was ich alles für Blödsinn aufgehoben habe und damals muss mir sämtlicher Kleinscheiß immens wichtig vorgekommen sein, doch heute frage ich mich einfach nur: WARUM??? Und natürlich habe ich diese Frage mit in eine Therapiesitzung genommen. Ich habe mir auch erklären lassen, was einen Messi ausmacht und meine Therapeutin und ich sind zu dem Schluß gekommen, dass ich wohl in meiner depressiven Phase (die schon sehr früh angefangen haben muss) eine gewisse Neigung dazu hatte, sie es aber nicht wirklich in mir sieht. Als sie mir genau erklärt hatte, wie man einen Messi einordnet, fand ich auch nicht, dass ich in diese Schublade gehöre. Doch gefühlt an dem was jeder Normalsterbliche schon als Messi bezeichnet, fragte ich mich irgendwann schon, ob ich einer bin.

Aber warum?

In meinem Bekanntenkreis gibt es wirklich nur eine Person, bei der es schlimmer ist, als es bei uns je war. Bei zwei weiteren ist es ordentlich, nicht piekfein, aber so, dass man gerne hingeht. Und der piekfeine Rest? Bei dem habe ich manchmal das Gefühl, dass sie in einem Möbelhaus wohnen. Und weißt du was das blöde daran ist? Ich wollte genauso sein und irgendwie will ich es oft immer noch. Ich wollte es so sehr und konnte es all die Jahre nicht erreichen. Ich wollte das perfekte Zuhause und immer wieder verzweifelte ich an der schieren Unfähigkeit es so hinzubekommen.

Der Stellenwert der Emotionen

Mit Hilfe meiner Therapeutin habe ich heraus gefunden, warum mir die Dinge so wichtig waren und auch warum ich mich jetzt leichter davon trennen kann. Vieles was ich aufgehoben habe, hatte keinen wirklich Wert, genau genommen auch keinen emotionalen… also nicht so direkt. Natürlich muss es einen Wert gehabt haben, sonst hätte ich es nicht aufgehoben, aber es war aus heutiger Sicht kein relevanter Wert. Vieles davon hat mir in unsicheren Zeiten Halt gegeben. Als ich in der Schule gemobbt wurde, wenn meine Eltern miteinander oder mit einem meiner Brüder stritten, wenn die Welt für mich zusammen zu brechen drohte, waren diese Dinge da und spendeten mir Trost. Sie lenkten mich ab und vergnügten mich bis die Welt wieder besser zu sein schien.

Ich hatte die Schnauze voll!

Mir ist schon seit einigen Jahren bewusst, dass ich ausmisten muss. Im Oktober 2016 las ich dann Magic Cleaning von Marie Kondo und war – wie jeder andere auch – erst mal total angefixt und motiviert. Doch ihr System funktionierte nicht so ganz für mich und ich war wieder auf der Suche nach dem perfekten System zum Ausmisten. Natürlich ist diese Begründung nur eine Ausrede, damit man sich noch nicht damit beschäftigen muss und das ist auch völlig ok. Ich war einfach noch nicht so weit, auch wenn ich mir heute wünschte, ich wäre es schon gewesen. Mitte April 2018, müsste es gewesen sein, hatte ich auf einmal die Schnauze gestrichen voll. Voll von all dem Krempel, der Unordnung und meiner Unfähigkeit. Es war ein Herkulesprojekt, aber wir haben so vieles geschafft und ich habe dabei wirklich immens viel über mich gelernt.

»Das hat dir/mir aber xy geschenkt!«

So oft kam dieser Gedanke beim Ausmisten auf. Ein Gedanke, den ich schon seit meiner Kindheit im Hinterkopf hatte und ein ziemlich „starker“ noch dazu. Ich konnte es einfach nicht weg tun, oft auch einfach aus der Angst heraus, dass jemand danach fragen könnte und ich nicht in Verlegenheit kommen wollte, wenn es nicht mehr da ist. Das hat sich sogar bis auf Grußkarten ausgedehnt. Allerdings – und da hat mir die KonMari-Methode wieder geholfen – habe ich mich gefragt ob es mir Freude bereiten würde, wenn ich es behalte. Bei manchen Sachen habe ich mich auch gefragt warum ich es behalte, wenn ich es nicht nutze und darauf hin wanderte es zu den Flohmarktsachen.

Ich entwickelte eine Räumwut,

So vieles ist aus der Wohnung geflogen. Angefeuert durch den Erfolg und das Glücksgefühl, entwickelte ich eine schiere Räumwut. Und dann kurz vorm Ende, brach die gesamte Motivation ein. Ich konnte einfach nicht mehr, aber ich habe weiter gemacht und ich bin sakrisch stolz auf mich, dass ich so verbissen weiter gemacht habe. Hier auch nochmal ein Danke an den Prinzen, der mich so fleißig angefeuert hat. Die eben erwähnten Grußkarten waren am Ende nicht so schwer auszumisten, wie ich anfangs dachte, denn ich habe wirklich nur die behalten, bei denen ich das Gefühl hatte, das man sich Mühe gegeben hat oder wenn sie mir etwas bedeutet haben. Ich habe auch einige Karten von Hope gefunden und die ein oder andere aufgehoben, weil ich sie einfach nicht wegschmeißen konnte.

Wenn alles seinen Platz hat,

räumt es sich auch leichter auf. So oder so ähnlich sagte es auch Marie Kondo in ihrem Buch und sie hat wirklich Recht. Es macht auch viel mehr Spaß aufzuräumen, wenn man weiß wo es hin kommt. So lange hatten einige Dinge keinen Platz und jetzt da ausgemistet ist, habe ich zum einen wesentlich weniger Sachen, die einen Platz benötigen und natürlich auch wieder Platz für die Sachen, die ich behalten möchte. Ich habe festgestellt, dass ich ein sehr großer Freund von Ordnung und in gewisser Weise auch Minimalismus bin. Ich rede dabei nicht vom exzessiven Minimalismus, aber von weniger ist mehr. 😉

Und wie sieht das dann in Zukunft aus?

Da ich weiß, dass ich auch jetzt noch nicht alles so geschafft habe, wie ich es gerne hätte, möchte ich mir einmal im Jahr einen Überblick über meine Sachen verschaffen. Allerdings will ich auch unter dem Jahr immer mal wieder ein Auge darauf werfen, ganz abgesehen davon, dass ich mittlerweile sogar anders einkaufe. Ich frage mich bereits vorher ob ich es brauche, setze größere Sachen als Belohnung für ein erreichtes Ziel an und versuche auch meine Unterlagen immer direkt auf dem Laufenden zu halten. Im Moment freue ich mich einfach darüber, den Zustand der Wohnung durch wenige Handgriffe wieder in den Wohlfühlzustand versetzen zu können und daran halte ich erst mal auch fest.


Bildquelle: Kaboompics.com
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4 thoughts on “Mein Krempel, die Räumwut und ich”

  1. ich kann das gut verstehen, ich habe auch so einen hang dazu, viele dinge aufzuheben, vielleicht aus dem gleichen grund. aber was für ein gutes zeichen, dass du dem jetzt so zu leibe rücken kannst!

  2. Gibt’s ein paar Tipps, wie man im Alleingang rausfinden kann, warum man an Ding X so hängt? Find ich sehr spannend, wahrscheinlich haben wir alle ein paar Teile, die eigentlich rausfliegen sollten/könnten/müssten und kriegen sie nicht los – ohne genau zu wissen, warum.

    Ich freue mich sehr für dich und euch, dass es nur noch ein paar Griffe braucht und es wieder okay aussieht. Btw, die Möbelhaus-Zimmer sehen zwar auf Fotos toll aus, aber eigentlich sind die langweilig.. <3

    1. Hm… ist natürlich die Frage ob meine Erfahrungen für dich ebenfalls funktionieren, aber ein Versuch ist es natürlich wert. 🙂

      Zuerst fand ich die Frage „bereitet es mir Freude?“ (KonMari) sehr bahnbrechend und wenn man das mit nein beantwortet, sich aber immer noch nicht davon lösen kann, sollte man ganz tief in sich gehen und sich fragen warum. Meistens ist der erste Gedanke, der nach dem Nein kommt schon die Antwort. Wie zum Beispiel „Das hab ich vom Prinzen bekommen, er wäre bestimmt böse, wenn ich es ausmiste.“ oder „Es war so teuer in der Anschaffung, ich will es in Zukunft mehr nutzen. Aber werde ich das?“

      Ich denke das wichtigste ist, dass man sich dabei nicht selbst an der Nase herum führt. Das ist leichter gesagt als getan, denn man merkt am Anfang nicht, wenn man sich selbst bescheißt. Frag dich solange warum du es dennoch behalten willst, bis du einen Grund hast, der dich wirklich zufrieden stellt.

      Mit den Postkarten von Hope war es zum Beispiel so, dass ich nur die behalten habe, die wichtige Botschaften für mich darstellten oder bei denen mir Tränen in die Augen schossen, weil ich sie einfach noch sehr vermisse. Ich kann mich davon noch nicht so recht lösen. Bei vielen Hobbyutensilien habe ich eine Ausnahme gemacht, auch wenn ich weiß, dass ich das nicht SO schnell ausprobieren werde, aber es ist nicht sinnvoll es DANN nochmal neu zu kaufen.

      Es ist ein Prozess des Abwägens und des ehrlich Hinterfragens. Und beim Hinterfragen, wenn man sich der Antwort nicht verschließt, findet man schnell heraus was einen an bestimmten Dingen hält. Bei mir war es überwiegend das Gefühl jemand anderen zu enttäuschen, wenn ich es ausmiste oder eine emotionale Bindung, die ich irgendwann einmal im Trost dazu aufgebaut hatte. Erinnerungen, Sätze und Gefühle die bei dem Gegenstand auftreten verraten dir unglaublich viel über dich selbst und die Gründe warum du es noch hast.

      Wichtig dabei ist allerdings, dass du dann auch wirklich die Sachen behältst, die du magst. Frag dich, wenn du dir unsicher bist, am Ende einfach ob du es vermissen würdest, wenn es drei Jahre im Keller stand.

      Genauer kann ich es dir nicht erklären. Es ist wirklich ein ständiges Hinterfragen. Wenn du dich am Anfang nur von zwei Teilen löst, dann ist das eben so. Vielleicht war es für die anderen dann einfach noch nicht Zeit oder du warst nicht soweit. Setz dich damit auf keinen Fall unter Druck. Vielleicht passiert dir auch das gleiche wie mir und du hast irgendwann einfach die Schnauze voll und dann geht das alles… nahezu von selbst. Allerdings ist die Frage, ob man es vermissen würde, wenn es weg wäre, dann umso wichtiger. Nicht, dass dann etwas in der Räumwut verschwindet, was einem eigentlich wichtig war. Du weißt schon was ich meine. 😉

      Ich hoffe ich konnte dir damit zumindest ein bisschen helfen. :-*
      Danke das ist lieb von dir. Ach ich glaube bei uns wird es nie aussehen wie im Möbelhaus, aber solange ich mich wohl fühle und nicht das Gefühl habe Panik zu bekommen, wenn sich Besuch anmeldet ist alles in Ordnung. 😀

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