»Was ist dein besonderes Talent?«

Heldenreise

Ende September schrieb Fräulein Freud über das Thema besondere Talente und dass sie zu Anfang daran zweifelte selbst welche zu haben, von denen sie behaupten würde, darin begnadet zu sein. Seit diesem Beitrag habe ich sehr viel darüber nachgedacht, was mein besonderes Talent ist und möchte dir nun erzählen, zu welchem Ergebnis ich kam.

»Papa, hier waren wir schon mal!«

Als kleines Mädchen war ich oft mit meinem Vater im Wald spazieren. Wir wanderten durch viele Wälder und gingen auch nicht immer die gleichen Wege. Es war jedes Mal wie ein kleines Abenteuer, bei dem es Neues zu entdecken gab. Bei einem dieser Spaziergänge – wir waren schon eine ganze Weile unterwegs – erkannte ich plötzlich die Gegend wieder, obwohl wir aus der gegensätzlichen Richtung kamen und vorher auch nicht in diesem Waldstück waren. Ich sagte ihm, dass wir dort schon waren und ich mich jetzt wieder auskannte, also stiefelten wir zurück zum Parkplatz.

Diese Anekdote höre ich oft, vor allem wenn es meinen Vater wieder einmal verblüfft, dass ich mich an Orte erinnere, an denen ich vor langer Zeit schon einmal gewesen bin. Man könnte nun sagen, dass ich einen unglaublich guten Orientierungssinn habe und das mag vielleicht auch stimmen, aber tatsächlich liegt es eher an meinem fotografischem Gedächtnis. (Jaja… ich habe die Erklärung auch gelesen, aber anders kann ich mir dieses… Phänomen nicht erklären.) Ich erkenne tatsächlich Orte anhand der dort stehenden Objekte wieder. Das kann ein Baum sein, eine Bank, ein Haus, ein seltsam geformter Stein, der meine Aufmerksamkeit erregt und das Szenario abspeichert. Zumindest vermute ich das.

Wenn ich aber an einen Ort komme, an dem ich schon war und dort zum Beispiel ein Baum gefällt wurde, ein Haus gestrichen oder meinetwegen ein Verkehrsschild an einer anderen Stelle steht, bleibe ich unweigerlich stehen, weil das Bild in meinem Kopf nicht zu der tatsächlichen Szene passt und ich erst herausfinden muss, was anders ist. Das dauert meist nur ein paar Sekunden, aber dennoch muss dieses Bild mit der neuen Information hinterlegt werden, bevor es weiter gehen kann.

„3D Rendering“ in meinem Kopf

Was das ganze für mich aber so speziell macht ist, dass ich dieses gespeicherte Szenario in meinem Kopf umdrehen kann. Okay… wie erkläre ich das am geschicktesten? Stell dir vor du gehst einen Weg entlang, siehst eine Bank, speicherst diese Information ab und dann gehst du hundert Meter weiter und drehst dich um. Das Bild das du dann siehst, sehe ich auch, nur dass ich mich nie umgedreht habe. Ich kann Formen quasi drehen und wenden wie es mir gefällt. Auch wenn ich eine Wohnung neu einrichte, kann ich mir bildlich vorstellen, wie sie leer aussieht und wie dieses oder jenes Möbelstück an der entsprechenden Stelle wirkt. Es verblüfft mich selbst sehr oft, in welchem Ausmaß mir das möglich ist.

Ich rede nicht oft darüber, weil ich das Gefühl habe, die Menschen erklären mich für verrückt. Die Vorstellung das so etwas möglich ist, scheint vielen zu absurd zu sein. Es gibt aber auch eines, das wirklich keiner aus meinem Umfeld jemals abstreiten würde.

Mein perfides Würfelglück

Ich bin eine begnadete Würflerin. Natürlich gibt es auch manchmal Tage an denen die Würfel sich nicht so gut mit mir verstehen, aber an sich bin ich ein absoluter Glückspilz was Würfeln angeht. Sei es beim Kniffel oder wenn es darum geht, wer zuerst auf ›Frei parken‹ kommt und die ganze Kohle einsackt. Aber es müssen echte Würfel sein, digitale Würfel funktionieren einfach nicht. Ansonsten habe ich aber ein unverschämtes Glück und das ganz zum Leidwesen meiner selbst, denn deswegen spielen sehr wenige Menschen mit mir Gesellschaftsspiele, bei denen es auf Würfelglück ankommt.

»Wie geht es Männern damit, das auszusprechen und wie geht es Frauen? […] Was ist dein Eindruck?«

Zu deiner letzten Frage, liebes Fräulein Freud, kann ich dir leider keine klare Antwort geben. Gefühlt würde ich sagen, dass Männer sich leichter tun, aber es widerspricht meinem bisherigen Erfahrungswert. Grundsätzlich bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass es stark vom Charakter des Menschen abhängt. Betrachte ich nun den Prinzen würde ich sagen, dass er eher nicht so damit hausieren geht, was er gut kann. Hingegen eine Bekannte erklärt einem gerne zum hundertsten Mal, was sie alles toll kann und vor allem besser als man selbst und hält sich dabei wirklich nicht zurück. Das ganze gibt es aber natürlich auch anders herum, keine Frage.


Bildquelle: Leah Kelley

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9 thoughts on “»Was ist dein besonderes Talent?«”

  1. Oh, auf das „nicht umdrehen müssen“ bin ich neidisch. Das war beim Wohnung einrichten zB ein Krampf, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie das Regal in der einen oder in der anderen Ecke wirkt. (Ich kann auch ohne Meter nicht sagen, ob es hinpasst.)
    Für verrückt würde ich dich deswegen aber btw nicht erklären. Find ich ein dolles Feature. 😉

    1. Hahaha… danke. :-* Dann bin ich ja zumindest etwas beruhigt. Was das Einrichten von Räumen angeht ist es wirklich praktisch. Ich kann zwar nicht auf einen cm planen und messe dann auch lieber mal nach, aber im Normalfall passt es so hin, wie ich es mir vorstelle. Mit einer Ausnahme, wenn ich an Möbelstücke nicht denke und plötzlich passt es dann doch nicht mehr hin. Wie letztens bei der Planung für die neue Schlafzimmergestaltung. Da habe ich doch glatt das Kopfteil des Bettes vergessen und ZACK war der Durchgang zu eng. Naja… dennoch liebe ich es, dass ich das alles in meinem Kopf machen kann. 😀

  2. also dein fotografisches gedächtnis, oder wie auch immer man es nennen mag, finde ich unglaublich spannend. wie cool ist das! ich bin was das betrifft nämlich ein absolutes ANTItalent und hab ein ganz ganz schlechtes visuelles vorstellungsvermögen und dreidimensionales sehen. auch beim würfeln bin ich einfach IMMER der pechvogel, was dazu führt, dass ich solche spiele einfach nicht spielen mag 😉
    wie schön, dass du diesen beitrag geschrieben hast <3

    1. Ich finde das auch immer wieder faszinierend. Es reicht mir zum Beispiel auch Karten zu sehen, oder auch Satellitenbilder zu sehen. Auch diese kann ich drehen und wenden, wie es mir beliebt. Allerdings muss ich da nicht stehenbleiben, wenn etwas nicht so passt, weil ich mir da nur wichtige Eckdaten merke um mich zurecht zu finden. *haha* Gestern Abend durfte ich dann mal wieder Navigatoreule spielen. 😉 Ich habe auch technisches Zeichnen immer geliebt und nie wirklich nachvollziehen können, wenn andere damit ein Problem hatten. -.-“

      Kann ich verstehen. Ich bin zum Beispiel kein guter Stratege und spiele diese Spiele dann auch nicht sooo gerne. ^^“

      1. einfach genial 🙂 dafür hatte ich vorgestern bei unserer wanderung eine spannende erkenntnis: so schlecht mein dreidimensionales sehen ist, umso besser ist dafür mein peripheres sehen. ich nehme so unglaublich viel mehr wahr, das um mich herum passiert, als mein mann. spannend, wie verschieden wir sind.

        1. Ist bei mir auch so. Also gerade beim Autofahren merke ich das. Ich sehe den Bussard auf dem Zaun sitzen, mein Mann nicht. Also wenn ich am Steuer bin. Ich nehme einfach unglaublich viel wahr. Er beschwert sich immer, weil er sagt ich soll mich auf’s Fahren konzentrieren, aber das gehört für mich dazu. Ich bleibe ja nicht mit den Augen auf dem Tier hängen. Aber ich habe es gesehen und sag es ihm, damit er auch gucken kann. Ich hoffe das wird sich nie ändern, denn ich möchte vorzeitig sehen, wenn ein Ball auf die Straße rollt oder ähnliches und nicht erst, wenn er direkt vor mir liegt. ?

          1. 😀 genau das szenario könnte sich bei uns auch abspielen.
            ich glaube schon, dass das mit dem alter schlechter wird, weil die augen halt schlechter werden, da hilft eh alles nix. aber das gute ist, dass wir da ja einen gewissen spielraum nach unten haben, bevor es womöglich gefährlich wird 🙂

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